Fehler verzeihen lernen, heißt ein Stückchen mehr Seele gewonnen zu haben.
Diesen Satz habe ich vor einiger Zeit aus einem Kärtchen-Stapel mit Lebensweisheiten herausgefischt. Zufällig? Natürlich nicht. Zumindest nicht in meiner Wahrnehmung vom Leben. Vielleicht aber auch doch zufällig, wenn wir das Wort einmal in seiner eigentlichen Bedeutung sehen – es ist mir zugefallen. Dies passiert meist nicht ohne Grund. Ich glaube fest daran, dass einem die Dinge immer aus einem bestimmten Grund – zufallen.
Verzeihen – ein großes Wort, eine noch größere Herausforderung. Ich erinnere mich bei dem Satz sofort an ein Gespräch, das noch gar nicht so lange her ist. Ein lieber Mensch und ich redeten übers Verzeihen. Sie sagte dann, sie könne nicht verzeihen, dem anderen, demjenigen Menschen, der etwas Schlimmes, sehr Verletzendes getan hat. Solche Erlebnisse werden viele von uns haben. Verletzungen, Enttäuschungen, emotionale Wunden, die uns zugefügt wurden, glaubt man nicht verzeihen zu können. In diesem Gespräch warf ich den Gedanken ein, dass es vielleicht nicht immer darum geht, dem anderen zu verzeihen, sondern vielmehr sich selber. Die Augen der Person, mit der ich das Gespräch führte, bekamen einen anderen Blick, eine andere Strahlkraft. Dieser Gedanke lies die Person Mut schöpfen, Mut sich selber anzusehen und auch Mut, den eigenen Anteil an diesen Enttäuschungen zu sehen und damit die Verantwortung für sich selber zu übernehmen. Ein Bewusstsein zu schaffen, dass ich selber bei vielen Enttäuschungen und Verletzungen meinen Anteil getragen habe. Damit Frieden zu schließen, mir selber zu verzeihen, das ist ein Weg zum Seelengewinn. Denn damit verzeihe ich mir meine eigenen Fehler, Unzulänglichkeiten und Macken. Niemand von uns ist frei von Fehlern und Macken und manchmal schaden wir uns selbst damit am meisten. Wachsen wir dann über uns hinaus, können lernen unsere Fehler zu sehen und sie anzunehmen, dann kommen wir dem Schritt verzeihen zu lernen wirklich näher. Gelingt es dann, all die Schönheit in uns zu sehen, trotz oder genau wegen der Fehler und Macken, gewinnen wir mit jedem Moment in dem uns das gelingt ein Stück Seele. Auch mir ist dieser Weg vertraut und wahrnehmen zu müssen, welchen Anteil ich an den Verletzungen und Enttäuschungen, die ich erlebt habe, trage, war nicht immer einfach. Rückblickend jedoch sehr wertvoll und versöhnlich für mich selber, denn ich habe mich selber richtig gut kennengelernt und auch erfahren, wo meine persönlichen Grenzen liegen - im Miteinander, in meinen Möglichkeiten und in dem was ich bereit bin, mitzutragen.
Doch was ist der Grund, dass mir die Karte genau jetzt wieder zugefallen ist?
Ein zweiter Satz, der mir sofort in den Sinn kam, war einer von unserem Gesundheitsminister Jens Spahn, den dieser bereits im April 2020 gesagt hat: „Wir werden einander, nach der Pandemie, viel zu verzeihen haben.“ Wow, welch ein mutiger Satz. So treffend, so aufrichtig, so authentisch, so angreifbar, so nahbar. Und – so verantwortungsvoll – für jeden einzelnen Menschen – in unserem Land – Kontinent – auf unserer Erde. Denn genau darum geht es ja auch jetzt wieder – Verantwortung übernehmen – jeder für sich, für sein Herzensthema, für seine Mitmenschen, seine Kinder – in seinen eigenen Möglichkeiten. Für mich bedeutet es auf keinen Fall, einfach alles „abzunicken“ was die Politik oder wer auch immer entscheidet. Für mich bedeutet es in Frage stellen, aufmerksam machen, zuhören, hinhören, vielleicht auch mal unbequem sein. Ins Gespräch gehen, soweit es möglich ist, sensibilisieren, … konkret, direkt, authentisch und eigenverantwortlich. D.h. dann auch die Verantwortung für die eigene Meinung zu übernehmen, auch wenn sie unpopulär ist. In der Kindererziehung, insbesondere bei dem Thema „Handynutzung, Social-Media, Online-Zeiten“ erlebe ich dies sehr häufig.
Doch was meint denn dann jetzt Verzeihen?
Verzeihen heißt, andere Menschen nicht an den „Pranger“ zu stellen, sondern ein Miteinander zu entwickeln, zu sehen, dass jeder für sich in seinen Möglichkeiten macht, was ihm möglich ist. Und da sind eben nicht allen Menschen, die gleichen Fähigkeiten gegeben.
Verzeihen heißt, sich selber und dem eigenen Gefühl zu vertrauen, dann kommt es nicht so schnell zu einer Ent-Täuschung, denn ich lasse mich nicht so schnell täuschen.
Verzeihen heißt, einen Perspektivwechsel zu wagen. Ich kann tatsächlich erst verstehen, wie ein Mensch handelt und was er fühlt und denkt, wenn ich versucht habe, seine Sicht der Dinge zu verstehen.
Lauf nur einen Meter
auf den Straßen die sein Leben sind
und sag mir dann, ein wenig später
ob die Gedanken noch die Gleichen sind…
lauten ein paar Zeilen aus dem Lied „nur einen Meter“ von Laith al Deen.
Diese Zeilen begleiten mich sehr häufig und ich mache sie mir bewusst, wenn ich eben nicht gleich verstehe, warum ein Mitmensch jetzt gerade so handelt, wie er eben handelt. Manchmal ist meine Entscheidung dann auch einfach: "Ich muss es nicht immer verstehen."
Verzeihen heißt, ein aufrichtiges JA zu sich selber und dem eigenen Lebensweg zu finden.
So bin ich davon überzeugt kommen wir Menschen versöhnlicher und mit mehr Seelengewinn durch unser eigenes Leben, wenn wir Verantwortung übernehmen, für uns und füreinander – auch in Zeiten der Pandemie.
Herzlich,
Sandra
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Sabine Schäfer (Mittwoch, 24 Februar 2021 15:46)
Liebe Sandra, vielen lieben Dank für deine mal wieder wunderbaren Worte. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig zu erfahren das wir alle füreinander da sind. Und ganz besonderen Dank an Dich da du einfach deine Worte und Gedanken an uns weiterleitest.
Wir haben letzte Woche unseren Familienherzenshund verloren, mit nur 4 Jahren. Ich verzeihe mir das ich oft so voller Ungeduld mit ihr war und ihr vielleicht auch nicht immer zugehört habe. Aber wir sind auch sehr dankbar das sie in unserer Familie war, sie immer für uns da war, ob es uns gut oder schlecht ging, immer das Herz am rechten Fleck, Ehrlichkeit pur und pure aufrichtige Liebe.
Danke für deine Verzeihen Karte
Ich grüße dich von Herzen
Sabine