Sturmtief

Vor wenigen Wochen hatten wir hier einen wirklich heftigen Sturm auf der Insel. Es war ein Mittwoch im November und mein Mann und ich wollten einen Strandspaziergang im Wind an meinem Lieblingsstrand machen. Dort angekommen stellten wir die Unmöglichkeit unseres Vorhabens fest. Der Strand, der normalerweise mind. 7-8 Meter Breite hat, hatte sich in eine tosendes Meer verwandelt. Dieses Bild war für mich neu, faszinierend, inspirierend und beängstigend zugleich. Richtig hohe Wellen schlugen mit voller Wucht gegen die Mauer, die den kleinen Hafen schützt.

 

Nun, ein paar Wochen später, bin ich wieder hier – an meinem Lieblingsstrand. Ich bin nicht das erste Mal nach dem Sturm wieder hier. Doch heute habe ich mich entschieden mal wieder rechts zu laufen am Strand. Der Sturm hat seine Spuren hinter lassen. Anders als vor dem Sturm, ist da ein neuer Weg, den ich ohne über Steine klettern zu müssen, auch bei Flut – die sich hier an der Ostsee ja ohnehin nur sehr minimal auswirkt – laufen kann. Die steile Küste hat sich verändert. Der Sturm hat Land mit sich genommen. Es sind Risse und Löcher entstanden. Vielleicht neue Nistplätze für die Vögel? Herrlich – es passiert etwas in mir, während ich dort laufe und die spannende Mischung aus dem alten Bild und dem neuen Bild am Strand und am Ufer betrachte und wahrnehme.

 

In mir taucht ein Gedanke auf:

Jeder Sturm bietet die Chance für neue Wege, neue Perspektiven, neue Bilder.

Der Strand ist nun weiter, umgefallene Bäume liegen am Strand. In einem Baum hängt ein Stein. Ein anderer liegt so am Strand, dass ich ein bisschen geduckt unter ihn durchlaufen muss. Wie durch ein Tor – vielleicht in (m)eine andere Welt!? Unzählige Steine, Seetank und Muscheln unter meinen Füßen begleiten meinen Spaziergang. Ganz wunderbar!

 

Und in mir verändert sich etwas – eine Klarheit entsteht.

Im Sturm zu sein ist hart und heftig. Ihn auszuhalten ein Kraftakt und ihim zu Widerstehen braucht Mut und Stärke.

Und dann? Ist da Stille, das Meer ist ganz ruhig neben mir und jetzt ist es klar: Nach dem Sturm ist meine Welt, ebenso wie die am Strand – neu. Sie ist sortiert – neu. Ein neues Bild, eine andere Perspektive ist entstanden. Ich kann es sehen – ich fühle es!

Ich bin schon längst auf dem neuen Weg unterwegs. Meine Perspektive ist längst anders, doch mit meinen Gedanken war ich an manchen Tagen eben doch noch im Sturm. Mir wird klar, es stürmt nicht mehr – d.h. doch es stürmt gewaltig in der Welt da „draußen“ – aber nicht mehr in mir.

 

Stille in mir. Durchatmen. Demut und Dankbarkeit, vor der Möglichkeit einem Sturm zu widerstehen um die Perspektive verändern zu können und neue Weg zu entdecken.

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Kommentare: 1
  • #1

    Miriam (Dienstag, 17 Januar 2023 16:09)

    Mein Sturm war u.a meine Krise auf der Arbeit, so viele Jahre, in denen mir nicht bewusst war, dass es an mir allein liegt, die Richtung zu wechseln. Immer weiter, bis mein Körper mir unmissverständlich gezeigt hat, dass es reicht. Zurückblickend weiß ich selbst nicht, wie ich es ausgehalten habe. Aber seit dem ich immer mehr über mich lerne (vor allem angestoßen von dir), fühle ich mich freier und habe das Gefühl, mein Leben fängt jetzt erst wirklich an. Dazu war mein Sturm gut, er hat mich wachgerüttelt, harte Jahre beschert, aber ich denke, noch umso mehr wertvollere geschenkt, da ich jetzt weiß, dass sehr vieles in meiner Macht liegt und alleine ich entscheide, was ich möchte/ich mir für meine Zukunft wünsche, um darauf hinzuarbeiten und immer mehr zu meinem erfüllten Leben finde �