Innere Stimme - äußere Welten

An einem der letzten Abende saß ich in meinem gemütlichen Zimmer, hatte haufenweise alte Zeitschriften vor mir liegen und habe mich wieder einmal treiben lassen von dem Impuls das herauszureißen, was mich gerade anspricht:

 

Je intensiver du deiner inneren Stimme folgst, desto besser wirst du erfassen, was in der äußeren Welt vor sich geht.

Dieser Satz stammt von einem schwedischen Diplomat namens Dag Hammarskjöld.

 

Ein Satz, der für mich eine unglaubliche Kraft hat, denn er bringt so Vieles auf den Punkt, worüber ich nachdenke, was in mir vor geht. Aber auch was ich eben nicht verstehe. Und er erklärt mir, weshalb viele Menschen nicht erfassen können oder wollen, was in der äußeren Welt gerade vor sich geht.

 

Der inneren Stimme folgen. Was heißt das genau? Wie geht das? Darf ich meiner inneren Stimme folgen? Was erzählt sie mir? Bin ich glücklich, zufrieden, aufgewühlt, ängstlich, wütend, neugierig, neidisch, einsam? Welche Tonlage hat meine innere Stimme? Wie gehe ich mit ihr um, wenn sie mir Dinge verrät, die ich eigentlich nicht hören möchte, weil es dann Handlungsbedarf in meinem Leben gibt? Was hat die innere Stimme mit der äußeren Welt zu tun? Ich las diesen Satz und gleich kamen mir ganz viele Gedanken dazu. Jetzt hängt er auf meinem 70er Jahre Tapetenrest und entfaltet seine Wirkung im Raum. Gerne möchte ich ein paar Gedanken zu diesem Satz teilen.

 

Der eigenen inneren Stimme zu folgen setzt voraus, dass du sie hören kannst und sie dann auch noch Ernst nimmst. Es ist kein seltenes Phänomen, dass Menschen ihre innere Stimme übertönen und/oder sie überhören - mit Verstand, Vernunft, logischen Erklärungen, Harmoniebedürfnissen, der Wissenschaft, Erwartungsdruck, der Sehnsucht danach geliebt zu werden,...

 

Der inneren Stimme zu folgen bedeutet mitunter eben auch unbequem zu sein, Unverständnis auszuhalten, klare Worte zu sprechen, in Frage stellen und manchmal auch "gegen" eine Sache oder einen Menschen zu entscheiden. Das "gegen" habe ich bewusst in Anführungsstriche gesetzt, denn in meiner Wahrheit ist es nie ein "gegen" etwas oder jemanden entscheiden, sondern ein FÜR ent-scheiden. Ein FÜR dich, FÜR Aufrichtigkeit, FÜR Ehrlichkeit, FÜReinander, FÜR deine Gesundheit. Dies kann auch schon mal sehr emotional sein - oft ungewiss, ob du das Richtige sagst, entscheidest, fühlst. Da bleibt die Frage: Was ist richtig?

 

Die innere Stimme hat viele Tonlagen, sie ist mal laut und oft ist sie sehr leise. Dann braucht es eine Stille um dich herum, damit du sie überhaupt hören kannst. Oft redet sie ganz sanft mit dir, denn es geht ihr ja darum, dass es dir gut geht, dass du dich hörst, siehst, wahrnimmst. Sie wird oft erst dann sehr sehr laut - manches Mal auch in Form von körperlichen Beschwerden oder gar Krankheiten, wenn sie lange nicht gehört oder zwar gehört, aber nicht ernst genommen wird. Deine innere Stimme darf dein Kompass sein. Niemand kennt dich so gut wie du dich kennst - zumindest wenn du Lust hast, dich kennenzulernen, deine Familiengeschichte anzuschauen, deine Höhen und Tiefen, deine Freudenmomente und deine Ent-täuschungen. All das bist du und all das prägt deine innere Stimme - in jeder Facette. Einen Kompass in sich zu tragen, ist ein großes Geschenk. Dieser Kompass deiner inneren Stimme, deiner Intuition, ermöglicht dir zu jeder Zeit wahrhaftig zu leben. Du erfährst Selbstwirksamkeit, du erlebst echte/aufrichtige Beziehungen, du kannst dir selber begegnen, du bist in der Lage, dich aus ohnmächtigen Situationen zu befreien und zu handeln. Das macht gesund - körperlich und seelisch.

 

Was hat all das mit der äußeren Welt zu tun? Die äußere Welt steht Kopf. Alles ist im Wandel. Die Welt steckt voller Kriege und Krisen. Gesellschaften sind gespalten, Menschen vereinsamen, verhungern, werden benutzt, kämpfen in sinnlosen Kriegen, sehen keine Perspektive, verarmen, verlieren Jobs,... Es gibt gerade keine Sicherheit wie dieses Chaos in Europa und der Welt ausgehen wird. In vielen Menschen macht dies auch Chaos in der eigenen Welt - in der Innenwelt. Auch in mir ist das manchmal so. Dann komme ich an meine Grenzen dessen verstehen zu können, was da gerade im Außen los ist. Immer wieder frage ich mich, weshalb Menschen nicht zusammenrücken - denn nur so können wir doch Krisenzeiten überleben. Miteinander sprechen, zuhören, akzeptieren, jeder hilft und unterstützt mit dem was er kann - weil er seiner Stimme zugehört hat und weiß was er in eine Gemeinschaft einbringen kann. Es gibt die Möglichkeit offener Gespräche. Viele können voneinander lernen und jeder darf entscheiden, mit wem er mehr von seiner inneren Stimme teilt. Alle sind Menschen und werden als solches gesehen und wahrgenommen. Wie kann es gelingen, jeden Menschen in seinem Wert zu sehen? Was nicht gleich zu setzten ist damit, dass ich mit jedem Menschen in eine Art Beziehung treten muss ... ich denke ich muss ihn Mensch sein lassen. Das reicht und ist gleichwohl sooo viel. Häufig frage ich mich weshalb das so schwer ist, zumindest erlebe ich es, dass dies für viele Menschen sehr schwer ist. Es gibt schwarz und weiß, richtig und falsch, zunehmend auch moralisch und unmoralisch, politisch korrekt oder eben nicht. Ich erlebe es, dass häufig Menschen, die ihre Verbindung zur inneren Stimme gerade nicht so pflegen können, die die Verbindung vielleicht auch eine Weile verloren haben oder noch nie eine wirkliche Verbindung hatten, diejenigen sind, die urteilen, verurteilen und meinen ihr "Wissen" - was auch immer das heißt - sei mehr wert, richtiger, besser,... als das der anderen. Und dann ergibt der oben genannte Satz wirklich Sinn. Wie kann ich erhoffen oder mir wünschen, dass Menschen, die sich selbst nicht hören/zuhören können oder möchten, anderen Menschen aufrichtig zuhören können? Wenn sich das Leben nur um einen selbst kreist, die Gedanken der anderen eine Gefahr darstellen, weil sie das eigene Denksystem durcheinander bringen könnten, oder das eigene Denksystem vor eine große emotionale Herausforderungen stellen, dann ist es für manche Menschen einfacher, die Verantwortung bei jemand anderem zu suchen, als bei sich selbst. 

 

Wer es mit der eigenen inneren Stimme, also mit sich selber, nicht gut aushält, sie nicht ernst nimmt, kann die eines anderen Menschen auch nicht hören und erst recht nicht achten und schätzen. Es gibt viele Menschen für die Wegsehen, Weghören und Wegschauen ein Schutzwall, ein Überlebensmuster ist, wenn sie das Gefühl haben, es könnte auch auf das eigene Sein einen Einfluss haben, wie der andere denkt, fühlt und handelt.

 

Ich wünsche mir von Herzen, dass immer mehr Menschen einen Weg zu sich, zu ihrer inneren Stimme finden. Ich wünsche mir, dass jeder den Mut hat, sich selber zuzuhören, sich zu feiern, zu sehen, zu fühlen. Wenn immer mehr Menschen sehen und fühlen, dass wir alle Teil einer großen Menschheitsfamilie sind und wir nur gemeinsam den großen Krisen dieser Zeit entgegen treten können, dann haben Menschen, denen es um Macht, Gier, Neid, Geld, Anerkennung, Titel, Trophäen,... geht, immer weniger Möglichkeiten, die Geschicke Welt zu lenken.

Der inneren Stimme zu folgen bedeutet auch, dass wir nicht mehr so beeinflussbar sind, dass wir die Möglichkeit haben und sie nutzen, selber zu denken, dass wir nicht einfach nur gehorchen, sondern hinterfragen und uns als gestaltender Teil einer Gemeinschaft verstehen.

Es ist MUTIG, der inneren Stimme zu folgen und damit auch auszuhalten, was man von der äußeren Welt alles erfasst, erfährt und in diesem Zusammenhang fühlt.

 

Nimm das Geschenk des inneren Kompass an - und setz deine Segel mit MUT, denn dann bestimmt DU wohin die Reise geht.

 

Herzliche Grüße und eine gute Zeit mit dir selbst,

Sandra

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Nicole (Montag, 17 Oktober 2022 16:45)

    Liebe Sandra! Ein berührender und weiser Text. Das gibt Impulse, Stärkung, Kraft und Mut für MEIN Leben. Ich bin sehr dankbar, dass Du mich daran teilhaben lässt und es ist eine so schöne Verbindung - für Herz und Seele. Das tut beim Lesen schon gut. Auf ein Wiedersehen. Liebe Grüße Nicole